ifo-Präsident Prof. Clemens Fuest (Mitte) wurde begrüßt von Mirja Viertelhaus-Koschig, Vorsitzende des KLEINEN KREISES, und Geschäftsführer Dirk Heitkötter. Bild: Markus Hibbeler/KLEINER KREIS
Der „kranke Mann Europas“
ifo-Präsident Prof. Clemens Fuest zu Gast beim KLEINEN KREIS
Oldenburg, 01.03.2024. Deutschland ist wieder der „kranke Mann Europas“, denn alle europäischen Volkswirtschaften wachsen, nur Deutschland kann sich seit mehr als fünf Jahren nicht aus der Stagnationsphase lösen. So die ernüchternde Bilanz des Präsidenten des Münchner ifo-Instituts Prof. Clemens Fuest. Rund 200 Gäste waren auf Einladung der Wirtschaftlichen Vereinigung Oldenburg – DER KLEINE KREIS zur Veranstaltung „Marktwirtschaft aktuell“ in den Alten Landtag gekommen.
„Kein Schaden anzurichten ist auch schon gut“, sagte Prof. Fuest in Richtung der Ampelkoalition. Fakt sei aber, dass Deutschland seit 2019 kein nennenswertes Wirtschaftswachstum mehr habe und seit 2018 die Industrieproduktion bröckele. Bei den Unternehmensinvestitionen sei Deutschland weit unter dem Niveau von 2019. „Das ist eine ernstzunehmende Entwicklung, denn das lässt sich nicht wieder aufholen. Ein echtes Problem also“, so der ifo-Chef.
Die Frage, wo neue Wertschöpfung in Deutschland entstehen könnte, sei schwer zu beantworten. Zukunftsbranchen seien schwer zu identifizieren und in Unternehmensgründungen sei Deutschland sehr schwach. Das größte Wertschöpfungspotential liege bei den so genannten „Hidden Champions“, rund 1.600 Unternehmen, die in Nischen-Marktsegmenten Europa- oder Weltmarktführer seien. „Diesen Unternehmen müssen wir gute Bedingungen zum Wirtschaften schaffen“, forderte Clemens Fuest.
Der Wachstumsbeitrag der Arbeit sinke, so Fuest weiter. Deutschland habe noch nie so viele Erwerbstätige gehabt, aber das wirke sich nicht auf die Anzahl der Arbeitsstunden aus. Fuest plädierte dafür, dass sich Arbeit wieder lohnen müsse. Wer mehr arbeiten wolle, müsse unterm Strich auch deutlich mehr dafür bekommen. „Es lohnt sich bei mittleren Einkommen kaum, mehr zu arbeiten“, resümierte Fuest.
Ansatzpunkt für eine Rückkehr zu mehr Wachstum sei eine neue Angebotspolitik, so Fuest. Zurzeit herrsche eine große wirtschaftspolitische Unsicherheit in Deutschland. „Wir brauchen endlich wieder Einigkeit über den Kurs der Wirtschaftspolitik.“
In ihrer Begrüßung betonte die Vorsitzende des KLEINEN KREISES, Mirja Viertelhaus-Koschig, dass selten zuvor so viel Anmeldungen zu einer Vortragsveranstaltung eingegangen seien. Das liege am Thema und auch an der großen Verunsicherung der Unternehmer. Sie verwies auf die heimische Wirtschaft: „Die Stimmung ist so schlecht wie nie“.