Diskutierten über den Welthandel (von links): Geschäftsführer Jürgen Lehmann, Prof. Gabriel Felbermayr und Vorsitzender Martin Steinbrecher. Bild: Torsten von Reeken
„Welthandel erlebt einen Sittenverfall“
Nach den heftigen, coronabedingten Einbrüchen habe der Welthandel zwar ein Comeback hingelegt, aber „es knirscht im Getriebe des globalen Handels“, so Prof. Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Prof. Felbermayer war Gast des KLEINEN KREIES in der Vortragsreihe „Wirtschaft und Politik“.
Im Unterschied zur Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 habe sich die Weltwirtschaft schnell erholt. Es habe sich hier um eine „Ausschalt-Einschalt-Krise“ gehandelt und nicht um eine klassische Rezession. Aber die Globalisierung, so Felbermayr, befinde sich in einer Phase der Verlangsamung. Bei Gütern wachse der Welthandel schon seit einiger Zeit langsamer als die Produktion.
„Seit etwa 15 Jahren erlebt der Welthandel so etwas wie einen Sittenverfall“, beschrieb Gabriel Felbermayr die Situation. Handels- und Finanzmarktsanktionen seien in der Vergangenheit immer beliebter geworden. „Das sind die neuen geopolitischen Waffen“, so der Top-Ökonom. Auch Europa verwende Sanktionen zur Aufmunitionierung der eigenen Handelspolitik.
Skeptisch zeigte sich Felbermayr gegenüber den Versuchen der EU, eine eigene Klimapolitik zu betreiben. Alleingänge würden nichts bringen, denn die Produktion würde sich nur verlagern und an anderen Standorten Emissionen erzeugen, die dann wieder in die EU importiert würden.
„Wir müssen die Welt mitnehmen“, sagte Felbermayr und sprach sich für einen möglichst großen internationalen „Klimaclub“ aus, dem neben der EU die USA und möglichst auch China angehören sollten. Solch ein Club könnte sich auf Mindestpreise für Emissionen einigen.